Aus der Schule, aus Quiz-Shows oder aus Interviews sind wir ja gewöhnt, dass auf Fragen eine Antwort folgt und je mehr Fragen jemand beantworten kann, umso kompetenter erscheint diese Person und
besteht quasi „die Prüfung“.
Ich merke in meiner Arbeit aber immer häufiger, dass viele Fragen entzaubert werden, wenn wir sie zu schnell beantworten.
Das fängt bei einfachen fachlichen Fragen an, bei denen der Fragende der Chance beraubt wird, selbst auf die Antwort zu kommen, wenn er zu schnell erklärt bekommt, wie es geht. Hier kann man auch
oft den Effekt beobachten, dass der Fragende sich die Antwort selbst gibt, sobald aus einem allgemeinen „Wie geht das?“ versucht wird eine konkretere Frage zu formulieren, also in etwa „Zeile 3
verstehe ich nicht … Wieso wird denn da …? Ach ja klar, wegen ...“
Dann gibt es noch die Fragen, die eigentlich keine Fragen sind, sondern Aussagen - z.B. in Bezug auf Schulmathematik: „Wofür brauche ich den Kram später im Leben?!“ Anfangs habe ich in meiner
Naivität ja immer noch brav geantwortet, dass die Umrechnung von Gramm in Kilogramm oder die Prozentrechnung Dinge sind, die im Leben durchaus hilfreich sein können, aber mittlerweile habe ich
dazugelernt und antworte meist so etwas wie: „Keine Ahnung, wahrscheinlich nie wieder … und was machen wir jetzt mit der Situation, dass du das aber bestimmt in der nächsten Klassenarbeit
brauchst?“
Und zum Schluss gibt es natürlich noch die Fragen, wie wir sie zum Beispiel im systemischen Coaching finden, bei denen es eigentlich nie darum geht Antworten zu bekommen, die Kriterien wie
richtig oder falsch genügen. Die Fragen sollen dann einen Prozess anstoßen, Selbstreflexion fördern oder zu Perspektivenwechsel und neuen Gedanken anregen. Gerade bei solcher Art Fragen ist es
ein gutes Zeichen, wenn sie nicht sofort beantwortet werden, sondern der Gefragte erst einmal länger schweigt und vielleicht etwas verwirrt ist. Das muss der Frager dann auch erst einmal
aushalten können, aber das ist eine Geschichte, die auf einem anderen Blatt steht ...