„Wenn alles glattläuft, hast du wahrscheinlich etwas übersehen.“
Dieses Zitat ist eine der vielen Varianten von Murphys Gesetz und bringt auf humorvolle Weise ein Dilemma auf den Punkt: Unser Gehirn schätzt die Welt nicht immer ganz realistisch ein. Zwei psychologische Phänomene – der Negativity Bias und der Optimism Bias – prägen unser Denken und beeinflussen uns damit auch beim Thema Lernen.
Was ist der Negativity Bias?
Der Negativity Bias beschreibt die Tendenz unseres Gehirns, negative Erlebnisse oder Informationen stärker zu gewichten als positive. Evolutionär betrachtet war das hilfreich: Gefahren zu ignorieren, konnte lebensbedrohlich sein. Ein verpasster Erfolg dagegen war selten ein Überlebensrisiko.
Heute jedoch kann uns diese Tendenz im Alltag und besonders beim Lernen in eine Negativspirale ziehen. Interessanterweise richtet sich der Negativity Bias oft auf die Vergangenheit: Wir grübeln über vergangene Fehler, schlechte Noten oder negative Rückmeldungen und bewerten sie überproportional stark.
Ein Beispiel: Eine einzige schlechte Note auf dem Zeugnis überschattet alle anderen Erfolge. Das führt schnell zu Selbstzweifeln und dem Gefühl, nicht gut genug zu sein – und kann so auf Dauer zu einer Negativspirale führen, die auch die Leistungen in anderen Fächern mit herunterzieht.
Was tun, wenn der Negativity Bias zuschlägt?
In solchen Momenten kann es hilfreich sein, bewusst 2–3 positive Gegengewichte zu suchen, bevor man sich mit der problematischen Situation auseinandersetzt. Das hat nichts mit Schönreden zu tun, sondern schafft oft überhaupt erst die innere Stärke, um konstruktiv nach Lösungen zu suchen.
Zum Beispiel:
- Denke an einen Bereich, in dem du zuletzt erfolgreich warst (z. B. eine gut gelöste Aufgabe oder ein positives Feedback).
- Halte dir vor Augen, dass die schlechte Note nur eine Momentaufnahme ist und nichts über dein Potenzial aussagt.
- Notiere kleine Fortschritte, die du trotz der Herausforderung bereits gemacht hast.
Dieses bewusste „Umlenken“ deiner Aufmerksamkeit hilft, aus dem Tunnelblick auszubrechen und gestärkt auf den problematischen Bereich zu schauen.
Was ist der Optimism Bias?
Auf der anderen Seite gibt es den Optimism Bias, der sich im Gegensatz zum Negativity Bias stärker auf die Zukunft richtet. Dieser Bias sorgt dafür, dass wir unsere Erfolgschancen und die Leichtigkeit zukünftiger Aufgaben überschätzen. Das klingt zunächst positiv – schließlich motiviert uns Optimismus, überhaupt mit Herausforderungen zu beginnen. Doch übertriebener Optimismus kann dazu führen, dass wir wichtige Hürden übersehen oder uns unrealistisch viel vornehmen.
Typische Auswirkungen beim Lernen:
- Zeitplanung: „Ich habe noch genug Zeit!“ führt zu Aufschiebeverhalten oder überladenen Plänen.
- Komplexität: Aufgaben werden unterschätzt, was später zu Frust führt.
- Ablenkungen: Wir überschätzen unsere Fähigkeit, fokussiert zu bleiben, und verlieren Zeit durch Social Media oder andere Störungen.
Die Balance zwischen Pessimismus und Optimismus
Sowohl der Negativity Bias als auch der Optimism Bias zeigen, wie unser Denken uns in die Irre führen kann – allerdings in entgegengesetzte Richtungen: Der eine Bias hält uns durch die Überbewertung vergangener Rückschläge zurück, während der andere uns mit übermäßiger Zuversicht in die Zukunft lockt. Doch mit etwas Achtsamkeit und gezielter Planung lassen sich beide Tendenzen ausgleichen.
Strategien gegen den Negativity Bias
- Erfolge bewusst wahrnehmen: Führe ein Erfolgstagebuch, in dem du kleine und große Fortschritte notierst.
- Positives als Gegengewicht nutzen: Suche gezielt nach positiven Erfahrungen oder Stärken, bevor du dich mit den Herausforderungen beschäftigst.
- Fehler als Lernchance sehen: Analysiere Rückschläge, um konkrete Verbesserungsmöglichkeiten abzuleiten – nicht, um dich selbst zu kritisieren.
Strategien gegen den Optimism Bias
- Realistische Zeitpläne erstellen: Plane mit Pufferzeiten, um unerwartete Verzögerungen abzufedern.
- Zwischenstände prüfen: Simuliere Prüfungen oder überprüfe regelmäßig deinen Wissensstand.
- Feedback von anderen einholen: Ein externer Blick kann helfen, blinde Flecken zu erkennen.
- Komplexität bewusst einkalkulieren: Schätze den Aufwand neuer Aufgaben realistisch ein und teile sie in kleine, machbare Schritte auf.
Fazit: Realistischer Optimismus
Weder ständiger Pessimismus noch übertriebener Optimismus führen ans Ziel. Der Schlüssel liegt in einem realistischen Optimismus: Wir sollten uns von Rückschlägen nicht entmutigen lassen, aber auch unsere Grenzen erkennen. Indem wir unser Denken reflektieren und bewusst steuern, schaffen wir die Basis für effektiveres Lernen und eine konstruktive Auseinandersetzung mit Herausforderungen.